Donnerstag, 25. Dezember 2014

47. Es fehlen harmonische Schutzräume in Foren und sozialen Netzen

47.   Es fehlen harmonische Schutzräume in Foren und sozialen Netzen

In meinem Beitrag Mobbing Die soziale Norm bei SENIORBOOK und anderen sozialen Netzen habe ich beschrieben, daß es nahezu unmöglich ist, auf Plattformen (soziale Netzen und Foren) aktiv zu sein, ohne irgendwann zum Zielobjekt von Gehässigkeit zu werden.  


Das echte Leben ist in Bereiche getrennt.   Je nach dem Wunsch, mit wem man welche Art von Austausch und Kontakt wünscht, kann man solche Bereiche aufsuchen oder meiden.    Wer kämpfen möchte, geht zum Kampf- oder Mannschaftssport, wer verbal kämpfen will, geht in die Politik. Wer beispielsweise ein Skeptiker ist, muß in einer Skeptikergruppe nicht mit Quacksalbern streiten.  Innerhalb solcher Gruppen unterstützt man sich als Gleichgesinnte.    Ob man außerhalb der Gruppen proaktiv mit den Andersdenkenden streiten oder das vermeiden möchte, darüber hat man meistens eine eigene freie Entscheidung.    Wer an Aktivitäten einer Senioreneinrichtung teilnimmt, kann in der Regel auch sicher sein, sich dort zwischen Menschen der entsprechenden Altersgruppe zu befinden.  

Online gibt es bei Plattformen leider keine Grenzen, die Bereiche erfolgreich gegen unerwünschte Eindringlinge schützen.  Stattdessen gibt es dort eine Sorte Nutzer, die alle Plattformen als ihr Territorium und automatisch als eine Kampfarena betrachten.   Diese Nutzer haben Antagonismus und Konfrontation so sehr als soziale Norm etabliert, daß jede aktive Teilnahme bei einer Plattform als implizite Anerkennung von und Unterwerfung unter diese soziale Norm mißverstanden wird.  
Wer nicht kämpfen und sich nicht unterordnen will, der wird durch Mobbing vertrieben.   Wer gemobbt wird, dem wird unterstellt, er hätte selbst daran schuld, er hätte ja auch wegbleiben können.  Wer Plattformen benutzen möchte, dem wird als Zugangsbedingung die Anerkennung von Antagonismus als gerechtfertigter sozialer Norm abverlangt.   
Grenzen werden nicht respektiert und oft nicht einmal wahrgenommen.  Religiöse Personen dringen in Atheistengruppen ein um dort zu missionieren.   Zwanzigjährige melden sich bei Seniorengruppen an.   Kaum jemand akzeptiert jemals, daß es Bereiche gibt, wo er fehl am Platz ist.       

Deshalb fehlt bei allen Plattformen ein Unterbereich für Nichtkämpfer, also ein Schutzraum für diejenigen, die sich nur den friedlichen und harmonischen Austausch mit Gleichgesinnten wünschen.  Für solche Menschen, die verbale Machtkämpfe, Kontroversen und Antagonismus vermeiden möchten, gibt es bisher keine geschützte Nische im Web.   

 
In diesem Schutzbereich sollten folgende Prinzipien und Regeln gelten:          

Das Prinzip des Schutzraumes ist, daß alle Informationen und Meinungen immer nur ein Angebot sind.   Zentral ist hier der Begriff Angebot.   

Alles darf angeboten werden, aber nichts darf aufgedrängt werden.  
 
Ein Angebot ist eine Option, die man als aktive Entscheidung auswählen kann, falls man sich dafür interessiert.  Ausgeschlossen wird hingegen das Aufzwingen und Aufdrängen von unerwünschten und/oder unnachgefragten Inhalten.   
Verhindert wird dadurch in einem Schutzraum jeglicher verbaler Machtkampf, Antagonismus, jegliche Kontroverse, Konfrontation, Auseinandersetzung, Kritik.   

Auch die Beiträge selbst sind nur ein Angebot.   Jeder hat die freie Wahl, einen Beitrag zu öffnen und zu lesen oder nicht.    Beiträge sind immer nur ein allgemein gehaltener Ausdruck dessen, was der Schreiber denkt und/oder weiß.  
Als Reaktion auf Beiträge erlaubt sind nur solche Kommentare, die entweder direkte Zustimmung ausdrücken, oder die ausgehend von einer prinzipiellen Zustimmung den Inhalt erweitern und ergänzen.   Wer nicht einverstanden ist, kann seine Meinung in einem eigenen, ebenfalls allgemein gehaltenen Beitrag äußern. Er darf seinen eigenen Beitrag als Gegenmeinung verlinken.   Diese Gegenmeinung darf keinen direkten Bezug auf persönliche Äußerungen eines anderen Beitragschreibers enthalten.  Sollte jemand Quellen mit Informationen kennen, die denen im Beitrag zu widersprechen scheinen, kann auch dahin ein Link gesetzt werden.   
Widerspruch, Rechthaberei, Besserwisserei als Reaktion zu Beiträgen werden nicht geduldet. Dadurch wird vermieden, daß Nichtkämpfer mit der Waffe direkter Kritik angegriffen werden. Trotzdem ermöglicht ein gutwilliger Leser dadurch dem Schreiber die Option, die eigenen Gedanken nach eigenem Ermessen zu überprüfen.   Nur gibt es in diesem Fall keinen aufgezwungenen verbalen Machtkampf.  Stattdessen läßt der Leser dem Schreiber seine freie Entscheidung, die zusätzlich angebotenen Hinweise gegebenenfalls zu verarbeiten und zu berücksichtigen oder aber als nicht relevant zu ignorieren.   

Dieses Prinzip verhindert nicht den freien Meinungsaustausch.   Denn jeder hat das gleiche Recht, seine eigene Meinung öffentlich darzulegen.   Durch oben skizzierte Regeln wird nur sichergestellt, daß in den Beiträgen der Fokus sich immer auf die Darlegung der eigenen Gedanken, Ansichten, Meinungen beschränkt, ohne daß es persönlich wird.  
Diese Regeln geben jedem die Entscheidungsfreiheit, wie er mit einem Angebot umgeht.    Wer als Beitragschreiber an der anderen Meinung interessiert ist, kann den Links folgen.    Wer nur Gleichgesinnte sucht, kann Links ignorieren.  Wer als Leser unterschiedliche Positionen kennenlernen möchte, dem werden ebenfalls alle Meinungen leicht auffindbar präsentiert.   

Wer gutwillig und rücksichtsvoll ist, aber gerne verbale Kämpfe austrägt, dem würde die Existenz eines solchen Schutzraumes verantwortungsvolles Verhalten erleichtern.  Denn dadurch kann er wissen, daß er außerhalb niemanden versehentlich angreift und dadurch verletzt oder belästigt.    
Wer hingegen einen solchen Schutzraum ablehnt, der zeigt seine wahre Bösartigkeit.   Für ihn sind gerade diejenigen, die nicht kämpfen wollen, seine bevorzugte Beute.   In einem Schutzraum wären sie seinen Angriffen entzogen.    

 
Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet:   

Wer stark vom Hierarchieinstinkt angetrieben wird, für den sind verbale Machtkämpfe ein alternativloses, spontanes, nicht reflektiertes Verhalten im automatischen Kampf um eine möglichst hohe Position in der Plattformhierarchie.    

Die oben skizzierten Regeln für einen Schutzraum sind besonders für diejenigen geeignet, bei denen der Hierarchieinstinkt nur schwach oder gar nicht ausgeprägt ist, während sie rational die gleichrangige und gleichberechtigte Zusammenarbeit bevorzugen.