Samstag, 6. Dezember 2014

40. Zwanghaftes Kommentieren bei sozialen Netzwerken

40.   Zwanghaftes Kommentieren bei sozialen Netzwerken

Wenn jemand bei einem beliebigen sozialen Netzwerk oder Forum einen Beitrag liest und nicht mit dem Inhalt einverstanden ist, dann genügt ein einziger Klick, um sich ohne Kommentar etwas anderem zuzuwenden.

Wer am Kommentierzwang leidet, ist dazu nicht fähig.

Der Selbsttest dazu ist sehr einfach.

Man öffne einen eindeutig und ausdrücklich nicht für Kommentare geeigneten und vorgesehenen Beitrag.   Meine Partnersuchnotiz am schwarzen Brett eines sozialen Netzes ist ein Beispiel.  Oben drüber steht deutlich und unübersehbar: Kein Diskussionsthema, Kritik zwecklos, Kommentare lese ich nicht.
  • Wer es anschließend mühelos schafft, ohne Kommentar auf das x zum Schließen zu klicken, der hat keinen Kommentierzwang.
  • Wem es in den Fingern kribbelt, etwas zu schreiben, wer aber dann tief Atem holt und doch ohne Kommentar auf das x zum Schließen klickt, ist gefährdet.
  • Wer nicht anders kann als trotzdem einen Kommentar zu schreiben, der unterliegt dem Kommentierzwang.

Als Zwangsstörungen werden Verhaltensweisen angesehen, für die unter anderem gilt:

1. Die zwanghafte Handlung selbst oder aber die überflüssigen Wiederholungen einer eigentlich einmalig sinnvollen Handlung bringen keinen Nutzen, weder für den Handelnden selbst noch für andere Menschen. Das Verhalten selbst ist sinnlos.

2. Das Ausführen der Zwangshandlung verschafft dem Handelnden vorübergehend Erleichterung vom Druck durch irgendeine Art von Unwohlsein.

3. Der Zwang führt zu Nachteilen, die beim Betroffenen selbst Leiden erzeugen. Diese Nachteile können auch die Reaktionen der durch das Zwangsverhalten beeinträchtigten Personen im Umfeld des Betroffenen sein.

4. Zwangsverhalten läßt sich nicht dadurch beeinflussen, daß man dem Betroffenen rational zuredet, ihn verspottet, ihm Verachtung zeigt oder ihn als lästig und störend behandelt. Der Drang nach Erleichterung ist stärker.

 
Bei einigen Mitgliedern sozialer Netzwerke läßt sich ein Kommentierzwang beobachten. Dieser Zwang erfüllt alle Punkte der obigen Definition außer dem dritten.

1. Die zwanghaften Kommentatoren schreiben Kommentare, von denen sie wissen, daß sie nicht erwünscht, sondern lästig sind. Diese Kommentare sind wertlos, nutzlos und sinnlos.

2. Die zwanghaften Kommentatoren verschaffen sich Erleichterung durch das Abreagieren von Frustrationen, Aggressionen, Haß, Machtgelüsten und/oder der subjektiven scheinbaren Aufwertung der eigenen Person.

3. Die zwanghaften Kommentatoren leiden nicht, weil sie sich die benötigte Erleichterung so verschaffen, daß sie selbst nie nachteilige Folgen erleben. Denn dadurch, daß sie sich die Erleichterung nicht durch Abreagieren an signifikanten Menschen in ihrem Umfeld verschaffen, sondern an entfernten und für sie insignifikanten Unbekannten, vermeiden sie alle Nachteile.

Oberflächlich betrachtet ähnelt das Verhalten beim Zwangskommentieren dem beim Mobbing. Nur ist Mobbing ein gezieltes Verhalten, um jemandem Schaden zuzufügen. Bei den Zwangskommentaren ist die Erleichterung der Grund, weshalb das Abreagieren selbst dann funktioniert, wenn eine dabei als Katalysator wirkende Person nicht geschädigt wird.

4. Das Verhalten der Zwangskommentatoren läßt sich nicht dadurch beeinflussen, daß man dem Betroffenen rational das Desinteresse an seinen Kommentaren deutlich erklärt, daß man ihn verspottet, daß man ihn verachtet und/oder daß man ihn als lästig und störend ablehnt. Der Drang nach Erleichterung ist stärker.

Zwanghaft geschriebene Müllkommentare haben aber nur dann eine Wirkung, wenn sie zu jemandes Texten geschrieben werden, der selbst unter einem Lesezwang leidet, der also den Drang fühlt, alles lesen zu müssen, was an ihn gerichtet ist.

Einen solchen Lesezwang empfinde ich nicht. Ich suche einen Lebenspartner. Da mir jeder Nachrichten an mein Postfach oder meine Emailadresse schicken kann, habe ich weder einen Grund noch ein Interesse, den Müll auf meinen Partnersuchnotizen zu lesen.