Donnerstag, 8. Januar 2015

52. Die Reaktion auf Suchanzeigen: Der Unterschied zwischen rationalem und abwegigem Verhalten

52.   Die Reaktion auf Suchanzeigen:  Der Unterschied zwischen rationalem und abwegigem Verhalten

Rationaler und rücksichtsvoller Umgang mit dem Ziel eines friedlichen Miteinander oder Nebeneinander erfordert eine gute Theory of Mind (mehr dazu im Beitrag: Die Bedeutung der Theory of Mind).

Das betrifft auch das Verhalten bei öffentlichen Texten, auf die eine unbeschränkte Reaktion möglich ist.     Ein kluger und wohlmeinender Mensch nimmt prinzipiell erst einmal zur Kenntnis, worum es geht, sowie welche Art von Reaktion gewünscht und erwartet wird.   Erst anschließend verhält er sich in angemessener Weise, und das beinhaltet auch den Verzicht auf unerwünschte Reaktionen.  

 
Wer beispielsweise per Kleinanzeige eine günstige gebrauchte Bohrmaschine mit eindeutig beschriebenen technischen Spezifikationen sucht, der hat berechtigterweise Erwartungen.  Er möchte ausschließlich in dem Fall kontaktiert wird, daß ihm entweder das Gesuchte angeboten oder er über eine Bezugsmöglichkeit informiert wird.    Da er alle Mails lesen muß, um kein Angebot zu verpassen, sind für ihn abstruse Kommentare eine Belästigung.   
Da bei einer solchen Suchanzeige niemand wissen kann, welche Erfahrungen und Qualifikationen der Inserent hat und wofür er die Bohrmaschine braucht, ist es ein klarer Denkfehler, auf Mutmaßungen beruhende, abwegige Kommentare abzugeben, wie etwa die folgenden:   
  • Es wird geraten, doch besser zu nageln, statt zu bohren
  • Es wird ein Handbohrer angeboten
  • Es wird empfohlen, von solchen gefährlichen Gerätschaften doch besser die Finger zu lassen
  • Ein Handwerker möchte mit den Arbeiten beauftragt werden
  • Jemand empfiehlt ein Buch über Schreinern

Solche Reaktionen wären, in Abhängigkeit des Problems und Projektes, dann mehr oder weniger geeignet und angebracht, falls jemand die Frage gestellt hätte, wie er als ahnungsloser Neuling bestimmte Reparaturarbeiten am besten durchführen könne.  

In Beispiel der gesuchten Bohrmaschine sind die meisten Menschen sogar fähig, den Unterschied zwischen einer eindeutig definierten Suche und dem Wunsch nach Ratschläge, Erfahrungen oder Kritik klar zu erkennen und sich danach zu richten.     


Was logisch für die Suche nach einer Bohrmaschine gilt, gilt analog genau so auch für die Suche nach einem Lebenspartner.     Leider aber sind viele Menschen, die bei der Suche nach einer Bohrmaschine zu rationalem Verhalten fähig sind, davon beim Thema Partnersuche überfordert.

Ich suche einen Lebenspartner.    In Anzeigen,  Aufrufen, Suchtexten, Profilen und auf diesem Blog habe ich deutlich und eindeutig beschrieben, wer als Partner zu mir paßt und wer nicht.    Ich habe unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß ich nur suche, weil ich längst genau weiß, wen und was.    Deshalb erwarte ich, nur von denjenigen kontaktiert zu werden, die entweder davon überzeugt sind, selbst ein möglicher Partner zu sein, oder die jemanden kennen, der zu mir passen könnte.    

Alle anderen Reaktionen sind abwegig.    Aber während ich obige unpassende Reaktionen auf die Suche nach einer Bohrmaschine erfunden habe, ist das folgende eine nur von teils vulgären und obszönen Beschimpfungen und Verunglimpfungen bereinigte Auswahl tatsächlicher Reaktionen:     
  • Ich solle ihn mir backen, da es so einen Mann nicht gäbe
  • Ich solle Kompromisse eingehen
  • Ich bräuchte eine Therapie
  • Ich solle lieber eine Frau als Freundin suchen
  • Kein Mann wolle ein Frau wie mich

Wer so reagiert, und dabei erwartet, daß ich davon in irgendeiner Weise beeinflußt würde oder wer selbst an das glaubt, was er schreibt, macht in zweifacher Hinsicht einen Denkfehler.   

Denkfehler 1, der Absichtsirrum.    Wer sich die Mühe macht, solchen Unsinn zu schreiben, verschwendet sein Zeit, denn ich weiß ja, was und wen ich suche.    Was diejenigen von mir und meiner Suche denken, die als Partner nicht in Frage kommen, interessiert mich nicht.     Denn die zu obigen Kommentaren passende Frage, was andere von meiner Partnersuche halten, die habe ich nicht gestellt, ich habe vielmehr das genau Gegenteil davon betont.   Meine Suche ist kein Thema für eine öffentliche Diskussion.  

Denkfehler 2, der Wirkungsirrtum.  Aufgrund dessen, was ich öffentlich geschrieben bzw. eben nicht geschrieben habe, ist niemand in der Lage, meine Partnersuche zu bewerten.   Solche Vorschläge und Unterstellungen sind völlig abwegig und lächerlich. Sie prallen wirkungslos an mir ab.   
Was bei der Bohrmaschine gilt, gilt auch hier:   Keiner kennt meine Erfahrungen, meine Lebensgeschichte, meine Gründe, warum ich einen so beschriebenen Partner suche und keinen anderen.    


Daß eine präzise spezifizierte Suche, egal ob nach einer Bohrmaschine oder nach einem Partner, sich deutlich und unverwechselbar davon unterscheidet, daß jemand Ratschläge, Erfahrungen oder Kritik wünscht, ist offensichtlich.      Der Denkfehler 1, der Absichtsirrtum, wird bei der Partnersuche nicht öfter begangen als bei der Suche nach einer Bohrmaschine.
 
Die Vielzahl der in Verbalattacken ausgedrückten Aggression, Gehässigkeit und Bösartigkeit zeigt allerdings, daß die abwegigen Reaktionen auf meine Partnersuche gar nicht wirklich für mich geschrieben werden. Um meine Person geht es dabei nicht.  Es gibt keinen Absichtsirrtum, denn meine Absicht ist irrelevant für die Entscheidung zu einer Angriffsreaktion.  
Vielmehr befriedigt der Schreiber ein persönliches Bedürfnis.    Dieses persönliche Bedürfnis ist Erleichterung für irgend eine Form von psychischem Druck.    Der Verbalangreifer möchte die Einwirkung des eigenen Verhaltens auf andere erleben. 
  • Er möchte die Macht erleben, daß er jemandem etwas aufzwingen kann.  Deshalb bemüht er sich, andere zu verletzen, zu schädigen, zu verleumden, zu stören oder sie zu belästigen.   Selbst wenn das tatsächlich gar nicht gelingt, kann ihm sogar die eingebildete Wirkung Erleichterung verschaffen. In Kombination mit einer Selbstüberschätzung trägt der Denkfehler 2, also der Wirkungsirrtum, dazu bei, daß solche Bemühungen sich selbst belohnen, völlig unabhängig vom Verhalten des Angegriffenen.            
  • Er benutzt meine Suche als Mittel, um bei Dritten eine Wirkung zu erzielen.  Mein Suchtext wird zur Arena für die Interaktion Dritter.  Das können dann verbale Machtkämpfe sein, oder eine Rudelbildung mit Anerkennungshierarchie nach einem Wettstreit darüber, wer am bösartigsten zu mir ist.