Dienstag, 2. September 2014

19. Kognitive Übereinstimmung als Quelle von Freude und als Ursache von kopfgesteuerten Glücksgefühlen in einer Paarbeziehung

19.  Kognitive Übereinstimmung als Quelle von Freude und als Ursache von kopfgesteuerten Glücksgefühlen in einer Paarbeziehung

Viele Menschen empfinden die Harmonie mit ihren Mitmenschen, die durch Gleichklang und Einigkeit entsteht, als wohltuend.  

Wer als Standardmensch die Identität mit der Mehrheit in seinem Umfeld teilt, für den ist diese Harmonie der Gleichgesinntheit in ausreichendem Maß im Alltag erlebbar.   Identität bedeutet in diesem Zusammenhang die auf dem individuellen Ausmaß an Instinktivität begründete Bedürfnisstruktur und die davon abgeleiteten Verhaltenstendenzen, Präferenzen, Werte, Überzeugungen, Meinungen und Ansichten.  
Diese Harmonie durch Übereinstimmung gehört auch zu den Bereichen des Lebens, die oft nicht mehr geschätzt werden, wenn und weil man sich daran gewöhnt haben, diese als selbstverständlich hinzunehmen.  

Zur Identität von Standardmenschen gehört auch der Hierarchieinstinkt, also der Antrieb, durch Konkurrenzkampf eine höhere Position zu erlangen, indem andere nach unten gedrückt werden. Deshalb sind viele Standardmenschen streitsüchtig und auf der aktiven Suche nach Auseinandersetzungen und Kontroversen.  Ihre Wahrnehmung ist gezielt für möglichen Antagonismus geschärft.  Streitsüchtige freuen sich über als Triumph erlebte vermeintliche oder echte Siege in Machtkämpfen, auch verbalen. In der Mehrheit fühlen sie so sicher aufgehoben, daß sie Andersdenkende automatisch als willkommene Ziele für ihre Aggressionen wahrnehmen und behandeln, als Watschnpersonen oder sogar als gemeinschaftsstärkende Underdogs.   Manchmal scheint es, daß sie dies als willkommene Abwechslung zu der allgemeinen alltäglichen Übereinstimmung erleben.  

Für Nichtstandardmenschen, die aufgrund ihrer Identität zu einer Minderheit gehören, ist der Alltag ein Leben ohne diese Harmonie.   Man ist von Andersdenkenden umgeben, man erkennt und fühlt den unüberbrückbaren Graben zwischen ihnen und sich selbst.    Man kann sein Anderssein verbergen, dann hat man eine Art von Pseudoharmonie, oder man kann seine Meinung sagen und wird zur Zielscheibe von Antagonismus und Gehässigkeit.   

Wer sich dann auch noch die Meinung der Standardmenschen zu eigen macht, leidet darunter, daß er sich selbst nicht annimmt und gerne anders sein möchte als er ist.   Damit ist ihm leider das Erlebnis der wohltuenden Übereinstimmung generell verschlossen.

Wer sich hingegen selbst so akzeptiert, wie er ist, für den ist die Freude der Übereinstimmung zwar möglich, aber leider ein sehr seltenes Ereignis. Solche Nichtstandardmenschen wünschen sich überhaupt nicht, wie die Mehrheit zu sein.  Hingegen sehnen sie sich nach einer Welt oder einer Lebenssituation zwischen und mit Gleichgesinnten statt Andersdenkenden. 
Zu dieser Art von Nichtstandardmenschen gehöre ich.  So wie ich bin, fühle ich mich wohl.  Aber mir fehlt ein Umfeld von Menschen, die mir ähnlich sind.  Ich habe nicht den geringsten Wunsch, wie die Mehrheit zu sein.  
Im Gegenteil, ich habe die Andersdenkenden um mich herum gründlich satt. Ratschläge von Standardmenschen, die für Standardmenschen sinnvoll sein mögen, weil sie auf Grund der Erfahrungen von Standardmenschen untereinander beruhen, die passen nun einmal nicht für mich, selbst dann nicht, wenn ich sie in häufiger Wiederholung hören muß.  
Egal wie aggressiv und gehässig jemand ist, ich bin nun einmal kein fehlerhafter Standardmensch, der solange verbal geprügelt werden muß, bis er seinen Platz ganz unten in der Hierarchie einnimmt.   Mein Platz ist nicht in einer solchen Hierarchie. 
Gegen diese und manche anderen Denk- und Verhaltensweisen, die für die Mehrheit der Standardmenschen selbstverständlich sind, empfinde ich inzwischen Widerwillen und Überdruß.   Im Alter von 65 habe zu viele Absurditäten schon zu oft gehört und erlebt.

Ein Beispiel ist der allgegenwärtige Glaube an Gott, Astrologie, Homöopathie und dergleichen.   Wer an Gott glaubt, der braucht nur in den Gottesdienst zu gehen, wer an Astrologie glaubt, findet überall Horoskope und der Homöopathiegläubige ist in der nächsten Apotheke in guter Gesellschaft.  
Aber Menschen, die so skeptisch und apistisch sind, daß sie das alles als Schwachsinn erkennen und das auch deutliche sagen, denen begegne ich fast nie.    Die nächste Gruppe von Skeptikern ist so weit entfernt, daß ich an deren Treffen nicht teilnehmen kann.    
Als ich mit 17 aus der Kirche ausgetreten bin, war das zunächst ein Moment der Erleichterung und der Befreiung, aus dieser kindlichen Verdummung herausgewachsen zu sein.   Aber wenn man die so grenzenlos dummen und absurden religiösen Behauptungen ein Leben lang immer wieder hört, wird man irgendwann davon genervt.   

 
Es ist eine auf Ahnungslosigkeit beruhende Falschannahme, kopfgesteuerte Menschen hätten keine Gefühle.   Auch kopfgesteuerte Menschen können sehr starke Gefühle haben, nur entstehen die Gefühle kopfgesteuerter Menschen anders, nämlich vorwiegend rational, kognitiv und intellektuell.    

Für mich ist es jedesmal wie ein wärmender Sonnenstrahl in der alltäglichen Kälte der kognitiven und intellektuellen Einsamkeit, wenn jemand etwas äußert, dem ich spontan zustimmen kann, weil ich es auch selbst hätte gesagt oder geschrieben haben können.   So etwas sind wertvolle Momente im Leben.   Je wichtiger und näher mir Menschen sind, desto größer ist diese Freude.   Bei jemandem, der sich in jeder Hinsicht zum Lebenspartner eignet, erzeugt es für mich sogar ein Glücksgefühl, wenn er das ausspricht, was ich auch selbst denke.  
Für mich sind emotionale und intellektuelle Nähe und Intimität die Grundsteine für das Zusammengehörigkeitsgefühl in einer Beziehung.   Übereinstimmung und Einigkeit schafft Nähe, und Nähe erzeugt Glücksgefühle.

Dabei möchte ich selbstverständlich nicht, daß mir jemand nach dem Mund redet.  Es geht um die wechselseitige, echte, innere Zustimmung.  Mir wäre es außerdem auch viel zu mühsam, jemanden von etwas überzeugen, was er nicht schon selbst aus eigenem Antrieb oder Interesse erkannt hat. Ich hätte beispielsweise nicht den geringsten Wunsch, jemandem, der das nicht schon von selbst erkannt hat, mühsam zu der Erkenntnis zu verhelfen, daß der Glaube an einen Gott unsinnig ist.    Wer in meiner Altersgruppe immer noch an dergleichen glaubt, dessen Gehirn ist höchstwahrscheinlich unfähig für Apistia.    Wer in meiner Altersgruppe im Augenblick des Kennenlernens anders denkt als ich, mit dem ist das Glücksgefühl der Übereinstimmung nicht möglich und damit eignet er sich nicht als Partner. 

Standardmenschen glauben oft, nur kontroverse verbale Machtkämpfe würden zum Lernen beitragen, weil jeder, der glaubt recht zu haben, sich auch zu Bemühungen berechtigt fühlt, den anderen mit scheinbar oder oberflächlich besseren Argumenten zur Unterwerfung unter seine Meinung zu zwingen.    
Aber eine gemeinsame Basis des Denkens bedeutet nicht Stillstand.  Man muß nicht unterschiedlicher Meinung sein, um miteinander zu lernen.  Man kann auch von einer gemeinsamen und übereinstimmenden Ausgangsbasis aus kooperativ und arbeitsteilig neue Informationen, neue Aspekte und neue Blickwinkel erarbeiten und sich ohne unterschiedliche Ansichten gemeinsam weiterentwickeln. 

Standardmenschen bekommen ihre wohltuende Übereinstimmung im Alltag miteinander.   Deshalb ist für sie der Fortpflanzungsinstinkt der Hauptantrieb bei der Partnerwahl.    
Ich dagegen suche das Glücksgefühl in der Übereinstimmung mit einem Partner.